Sie sind die symbolische Vorstellung von einer Wahrheit, deren Verwirklichung unsere Aufgabe ist, und vielleicht hat keine Zeit den Kampf von Natur und Geist so bestimmt zum Ausdruck gebracht wie die unserige. Es handelt sich hier nicht um das, was wir in philosophischer Beziehung unter Natur und Geist zu verstehen haben. Es genügt, wenn wir in der Wirklichkeit unsere eigene Existenz zwei einander ergänzende Prinzipien als Inhalt aller unserer Handlungen zurückfinden.
In der Kunst der Vergangenheit waren diese Prinzipien verschleiert, ganz wie in der Natur, wo sie durch mannigfaltige äußerliche Formen verhüllt sind. — Es war nicht nur die Tätigkeit des Künstlers, sondern auch die des Philosophen und Wissenschaftlers, hinter diesen Formen das Wesen des Seins zu entdecken und in eine andere, neue Gestalt zu gießen. So erklärt es sich, weshalb die Nachahmung äußerlicher Formen nichts mit Kunst zu tun hat. Jeder Künstler — mag er der Vergangenheit angehören oder nicht — versucht durch sein Ausdrucksmittel über die Natur oder äußerliche Formen hinaus das Gleichgewicht zwischen beiden Extremen herzustellen. In jeder großen Kunst, ob sie individuell oder kollektiv als Stil erscheint, gibt sich dieses Gleichgewicht als Harmonie oder Ruhe kund. (Beispiel: Ägyptische Plastik.)
Diese Ruhe oder Harmonie kann aber nicht ohne Kampf gewonnen werden. Dieser Kampf, der sich durch die schöpferische Tätigkeit offenbart, beweist, daß die geistige Potenz die Natur als den anderen Teil ihrer selbst, als ihren Kontrast empfindet. So ist das Verhältnis des Künstlers zu seiner Innen– und Umwelt ein Konstrastverhältnis. Ich habe es für nötig gehalten, meinen Vortrag mit dieser kurzen metaphysischen Einführung zu beginnen, damit das wahre Verhältnis des Künstlers zur Natur geklärt wird. Der große Unterschied zwischen den Künstlern der Vergangenheit und den Künstlern der Gegenwart besteht eben darin, daß die letzteren sich über dieses Verhältnis vollkommen im klaren sind. Sie stehen als bewußte schöpferische Menschen in der Welt, während die alten Künstler, die Verehrer des Unbewußten, gezwungen waren, sich auf eine intuitive tierische Spontanität zu verlassen.